Goethe - weitere Gedankensplitter

SHAKESPEARE UND KEIN ENDE

"Es ist über Shakespear schon soviel gesagt, daß es scheinen möchte, als wäre
nichts mehr zu sagen übrig, und doch ist dies die Eigenschaft des Geistes, daß
er Geist ewig anregt."

"Das Höchste wozu der Mensch gelangen kann, ist das Bewußtsein eigner Gesin-
nungen und Gedanken, das Erkennen seiner selbst, welches ihm die Einleitung gibt,
auch fremde Gemütsarten innig zu erkennen.
Nun gibt es Menschen, die mit einer natürlichen Anlage hiezu geboren sind,
und solche durch Erfahrung zu praktischen Zwecken ausbilden.
Hieraus entsteht die Fähigkeit, der Welt und den Geschäften, im höheren Sinne,
etwas abzugewinnen.
Mit jener Anlage nun wird auch der Dichter geboren, nur daß er sie nicht zu
unmittelbaren, irdischen Zwecken, sondern zu einem höhern geistigen, all-
gemeinen Zweck ausbildet."

1827 - 1832

AN FANNY MENDELSSOHN

Wenn ich mir in stiller Seele
Singe leise Lieder vor,
Wie ich fühle daß sie fehle
Die ich einzig mir erkor;
Möcht ich hoffen daß sie sänge
Was ich ihr sogern vertraut,
Ach ! aus dieser Brust und Enge
Drängen frohe Lieder laut.

IN DAS STAMMBUCH CARLS VON MARTIUS

Was hieß wohl die Natur ergründen ?
Gott ebenso außen als innen zu finden."

ETYMOLOGIE SPRICHT MEPHISTOPHELES (Auszug)

"Die Sprache bleibt ein reiner Himmelshauch
Empfunden nur von stillen Erdensöhnen;"

ZAHME XENIEN AUS DEM NACHLASS

EIN NEU PROJECT ward vorgebracht
Willst du dich nicht damit befassen ?
"Habe schon mal Bankrot gemacht
Nun will ich's andern überlassen.

"SAG UNS DOCH warum deine Galle
Immerfort ins Ferne weist ?"
Gefühl habt ihr alle,
Aber keinen Geist.

WAS DOCH die größte Gesellschaft beut
Es ist die Mittelmäßigkeit.

WAS VIELE singen und sagen
Das müssen wir eben ertragen !
Ihr Guten - großer und kleiner,
Ihr singt euch müde und matt,
Und singt doch keiner
Als was er zu sagen hat.

NICHT AUGENBLICKE steh ich still
Bei so verstockten Sündern
Und wer nicht mit mir schreiten will,
Soll meinen Schritt nicht hindern.

JA ! ICH RECHNE mir's zur Ehre,
Wandle fernerhin allein !
Und wenn es ein Irrtum wäre
Soll es doch nicht eurer sein.

"WIE HAST DU's denn so weit gebracht ?
Sie sagen du habest es gut vollbracht !"
Mein Kind ! Ich hab' es klug gemacht,
Ich hab' nie über das Denken gedacht.

WAS WIR DICHTER in s Enge bringen
Wird von ihnen in s Weite geklaubt.
Das Wahre klären sie in den Dingen
Bis niemand mehr dran glaubt.

WIE MANCHER Mißwillige schnuffelt und wittert
Um das von der Muse verliehne Gedicht.
Sie haben Lessing das Ende verbittert,
Mir sollen sie's nicht! -

FÜR UND WIDER zu dieser Stunde
Quengelt ihr schon seit vielen Jahren:
Was ich getan, ihr Lumpenhunde !
Werdet ihr nimmermehr erfahren.

"WARUM DENN aber bei unsern Sitzen
Bist du so selten gegenwärtig ?"
Mag nicht für langer Weile schwitzen,
Der Menschheit bin ich immer gewärtig.

Ich bin so sehr geplagt
Und weiß nicht was sie wollen,
Daß man die Menge fragt
Was Einer hätte tun sollen.

EIN JEDER DENKT in seinem Dunst
Andrer Verdienst sei winzig klein
Bewahre jeder die Vergunst
Auf seine Weise toll zu sein.

WAS DIE WEIBER lieben und hassen
Das wollen wir ihnen gelten lassen;
Wenn sie aber urteilen und meinen,
Da will's oft wunderlich erscheinen.

DER DICHTER schaut Weltgewühle
Sieht jeden Menschen in sich selbst befangen
Bald heitern Sinns bald bänglicher Gefühle
Doch hat er Zwecke daß er die erlange
Sucht er den eignen Weg zum eignen Ziele.
Was das bedeute merkt er sich und allen
Und was bedeutet läßt er sich gefallen.

CONSTITUTIONELL sind wir alle auf Erden;
Niemand soll besteuert werden
Als wer repräsentiert ist.
Da dem also ist
Frag ich und werde kühner:
Wer repräsentiert denn die Diener ?

MIR IST das Volk zur Last,
Meint es doch dies und das,
Weil es die Fürsten haßt,
Denkt es, es wäre was.

WER MIT dem Leben spielt
Kommt nie zurecht;
Wer sich nicht selbst befiehlt
Bleibt immer ein Knecht.

GUT VERLOREN etwas verloren
Mußt rasch dich besinnen
Und Neues gewinnen
Ehr verloren viel verloren
Mußt Ruhm gewinnen
Da werden die Leute sich anders besinnen
Mut verloren alles verloren
Da wär es besser nicht geboren.

NUR WENN das Herz erschlossen
Dann ist die Erde schön.
Du standest so verdrossen
Und wußtest nicht zu sehn.

GAR MANCHER hat sich ernst beflissen,
Und hatte dennoch schlechten Lohn.
Es ist ganz eigen: wenn sie wissen,
So meinen sie, sie wüßten schon.

GLAUBT NICHT daß ich fasele, daß ich dichte,
Seht hin und findet mir andre Gestalt !
Es ist die ganze Kirchengeschichte
Mischmasch von Irrtum und Gewalt.

IHR GLÄUBIGEN rühmt nur nicht euren Glauben
Als einzigen, wir glauben auch wie ihr.
Der Forscher läßt sich keineswegs berauben
Des Erbteils, aller Welt gegönnt - und mir.

WER WISSENSCHAFT und Kunst besitzt
Hat auch Religion;
Wer jene beiden nicht besitzt
Der habe Religion.

WAS DIE GROSSEN Gutes taten
Sah ich oft in meinem Leben;
Was uns nun die Völker geben,
Deren auserwählte Weisen
Nun zusammen sich beraten,
Mögen unsre Enkel preisen
Die's erleben.

SONST WIE die Alten sungen
So zwitscherten die Jungen;
Jetzt wie die Jungen singen
Soll's bei den Alten klingen.
Bei solchem Lied und Reigen
Das beste - ruhn und schweigen.

ZU GOETHES DENKMAL was zahlst du jetzt ?
Fragt dieser jener und der !
Hätt` ich mir nicht selbst ein Denkmal gesetzt,
Das Denkmal wo käm es denn her ?

NACHLESE. FRAGMENTARISCHES

WILLST DU wirksam sein
Bediene dich deiner Kraft
Jung in Gesellschaft
Alt allein.

WAR DIE HENNE ZUERST ? oder war das Ei vor der Henne ?
Wer dies Rätsel erlöst schlichtet den Streit um den Gott.

GLEICHNISSE DÜRFT ihr mir nicht verwehren,
Ich wüßte mich sonst nicht zu erklären.

GLÜCKLICH WENN nach Außen ich die Augen wende
Nur die Grätzigen besehen ihre eignen Hände.

DEN OFFNEN MANN beschämt ein Fehler nicht;
Der schäme sich, der Heuchlend immer fehlt.

CHRISTUS EIN GOTT vom Himmel kam,
Ein Mensch auf Erden wundersam;
Als Gott und Mensch, als Mensch und Gott,
Anbetung war ihm, Schand und Spott;
Zuletzt zu unserer Seligkeit
Ging er durchs Grab zur Herrlichkeit.

DREIEINIGKEIT hab ich auch gesehn
Lebendig durch einander wehn !
Der heilige Geist fuhr hin und her
Als wenn er flatternde Taube wär.
Gott der Sohn gab sein Wort dazu,
Der Vater blieb in ewiger Ruh,
Denn er wußte schon ungefähr
Was an der ganzen Sache wär'.

DENKT NICHT ich geh euch dummem Volk zu Leibe
Ich weiß recht gut für wen ich schreibe.

Die Pest an H.Poselt

In Asien hab ich freies Spiel
Man will mich nur nicht in Europa leiden"